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Meldung

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Lemgo neues Mitglied im Riga-Komitee

Beitrittsurkunde unterzeichnet

Lemgo. Zu einem besonderen Anlass trafen sich vor einigen Tagen die Bezirksvorsitzende des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in Ostwestfalen-Lippe, Regierungspräsidentin Judith Pirscher und der Lemgoer Bürgermeister Dr. Reiner Austermann im Rathaus. 

 

Beide zeigten sich hocherfreut über den einstimmigen Beschluss des Rates der Alten Hansestadt Lemgo dem Deutschen Riga-Komitee beizutreten. Aufgabe des Städtebündnisses ist es, an das Schicksal von über 20.000 Menschen jüdischen Glaubens zu erinnern, die in den Jahren 1941/42 nach Riga deportiert und dort in ihrer überwiegenden Zahl im Wald von Bikernieki ermordet wurden. "Mit seiner Entscheidung zum Beitritt trägt der Rat der Stadt Lemgo dazu bei, die Erinnerung an die während der Nazidiktatur deportierten und ermordeten Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens wachzuhalten und ein ehrendes Gedenken zu sichern", so der Bürgermeister Dr. Austermann wörtlich.  

 

Den Beitritt angeregt hatte der ehemalige stellv. Bürgermeister Manfred Behrend, dem Bürgermeister Dr. Austermann in der Ratssitzung am 27.04.2020 ausdrücklich für diese Anregung und sein großes Engagement dankte. 

 

Lemgo ist nun die 64. Stadt in Deutschland und die 6. Stadt in OWL die diesem Komitee beigetreten ist. 40 Männer, Frauen und Kinder aus dem Altkreis Lemgo wurden nach Riga deportiert, unter ihnen Rosalie Gumpel und Paula Juchenheim aus Lemgo. 

 

Organisiert ist das Deutsche Riga-Komitee im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., der vor Ort in Riga in Zusammenarbeit mit lettischen Partnern und der Stadtverwaltung in Riga eine würdige Gräber- und Gedenkstätte errichtet hat. Mit der Pflege der Anlage sowie Begegnung von deutschen und lettischen Jugendlichen in Riga versucht der Verein ein lebendiges Band der Erinnerung zu knüpfen. 

 

Regierungspräsidentin Judith Pirscher: "Die besondere Gedenk- und Bildungsarbeit des Riga-Komitees schafft Anlässe und Anstöße, sich den Themen Verfolgung, Vernichtung, Ausgrenzung und Hass immer wieder neu zu stellen und sich immer wieder für Versöhnung, Frieden und Toleranz einzusetzen. Der Stadt Lemgo und allen anderen beteiligten Kommunen gebührt Dank und Anerkennung für diese europaweit einzigartige erinnerungskulturelle Städtepartnerschaft." 

Foto und Text: Stadt Lemgo

Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.

Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.

Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.

Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.

In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.