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1. Foto der Gruppe am Deportationsgedenkort in Bielefeld (© Jens Effkemann)
Austausch über Arbeit des Deutschen Riga-Komitees in Ostwestfalen-Lippe
Treffen von Akteuren der lokalen Erinnerungs- und Gedenkkulturarbeit im Stadtarchiv Bielefeld
Bielefeld. Ausgehend von einer Delegationsreise nach Riga, die im letzten Jahr stattgefunden hatte, lud die Regierungspräsidentin und Bezirksvorsitzende des Volksbundes, Anna Katharina Bölling, Ende Juni zu einem besonderen Austauschtreffen ins Stadtarchiv Bielefeld ein.
Nach einem Grußwort des Stadtarchiv-Direktors Dr. Jochen Rath bedankte sich Anna Katharina Bölling ganz herzlich für die Gastfreundschaft des Stadtarchivs Bielefeld und begrüßte die 20 Teilnehmenden des Treffens.„Eine breit gefächerte Mischung von Akteuren der Erinnerungs- und Gedenkkultur leistet in den Kommunen, Schulen, Stadtarchiven der Region einen unermüdlichen Einsatz ‚Gegen das Vergessen‘ in OWL“, bedankt sich Bölling für das Engagement.
In ihrer Einführung zur Besprechung machte die Regierungspräsidentin und Bezirksvorsitzende des Volksbundes zudem deutlich, wie sehr sie es schätze, dass sich Kommunen aus OWL zunehmend dem Deutschen Riga-Komitee anschließen.Das bundesweite Städtebündnis aus über 80 Mitgliedsstädten erinnert an das Schicksal von etwa 25.000 Juden, die im Winter 1941/42 aus ihrer Heimat nach Riga deportiert und dort in überwiegender Zahl umgebracht wurden.
Die Tatsache, dass mit Petershagen gleich in der nächsten Woche die erste Stadt aus dem Kreis Minden-Lübbecke dem Städtebündnis (www.riga-komitee.eu) beitritt, zeige nach Auffassung von Anna Katharina Bölling, welche gute und würdevolle Gedenkarbeit vor Ort geleistet wird. In der Kommune hatten Schülerinnen und Schüler des örtlichen Gymnasiums mithilfe ihrer Lehrerin Heike Tschöpe, die im letzten Jahr an der Riga-Reise teilgenommen hatte, einen entsprechenden Mitgliedsantrag bei der Stadt gestellt.
Über die beispielhafte Initiative der Schülerinnen und Schüler aus Petershagen hinaus lag ein wesentlicher Schwerpunkt des Austauschtreffens auf der Arbeit mit jungen Leuten. „Nach dem formellen Akt des Beitritts im Riga-Komitee können wir nur dazu appellieren vor allem junge Leute aus Ihren Kommunen nach Riga zu bringen, um sich auf die Spuren der ehemaligen jüdischen Nachbarn zu begeben.“ so der Regionalgeschäftsführer des Volksbundes, Jens Effkemann, der bei dem Treffen das Beitrittsverfahren aber auch einige regionale Best-Practice-Beispiele darstellte. Nach dem Beitritt der Stadt Detmold zum Deutschen Riga-Komitee im Jahr 2023 hat es die Stadt einigen Jugendlichen beispielsweise ermöglicht an einem Jugendbegegnungsprojekt des Volksbundes in Riga teilzunehmen. Ihre beeindruckenden Erfahrungen in der lettischen Hauptstadt teilten sie im Anschluss daran bei einer Gedenkveranstaltung vor Ort mit. Für Fahrten nach Riga sprach sich trotz aller organisatorischen Herausforderungen auch die Bildungsreferentin des Volksbundes, Lena Wiele, aus. Wie sehr die Stadt aus historischer aber auch aus politischer Perspektive höchstrelevant ist, machte sie in einem kurzen Rückblick auf die Delegationsreise im letzten Jahr deutlich. Sie betonte diesbezüglich ebenfalls die entsprechenden Angebote des Volksbundes für junge Leute.
Zum Abschluss des Treffens ging die gesamte Gruppe noch zum Gedenkort der Deportationen vor dem Bielefelder Hauptbahnhof und legte dort, nach einer kurzen Erläuterung des Stadtarchiv-Direktors Dr. Jochen Rath, weiße Rosen im Gedenken an die Deportierten nieder (siehe Fotos). Für alle Teilnehmenden war das nochmals ein bewegender Augenblick. Einige Teilnehmende hatten den Ort erstmals ganz bewusst wahrgenommen. Zum Teil kannte man den Ort noch gar nicht.
Hier geht es zum Instagram Post der Bezirksregierung Detmold.
Fotos und Text: Jens Effkemann
Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.
Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.
Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.
Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.
In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.