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Besiegeln den Beitritt: Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling (2.v.2.) und Bürgermeister Frank Hilker (r.) (© Stadt Detmold)
Beitritt besiegelt: Detmold ist 75. Mitglied im Riga-Komitee
Erinnerungskultureller Städtebund gegen das Vergessen bewahrt das Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Greueltaten
Detmold. Am 31. Januar ist die Stadt Detmold dem Deutschen Riga-Komitee beigetreten. Die folgende Pressemeldung der Stadt weist auf die Unterzeichnung der Beitrittsurkunde hin.
Mit der feierlichen Unterzeichnung der Beitrittsurkunde hat sich die Stadt Detmold in dieser Woche offiziell als 75. Städtemitglied dem Riga-Komitee angeschlossen. "Ich freue mich, dass ich mit meiner Unterschrift Teil dieses Erinnerungsbausteins sein darf", sagte Bürgermeister Frank Hilker, der gemeinsam mit Anna Katharina Bölling, Regierungspräsidentin und in diesem Zusammenhang Vertreterin des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, den Beitritt besiegelte.
Dieser in Europa einzigartige erinnerungskulturelle Städtebund, dem auch die Städte Brünn, Prag, Riga, Theresienstadt und Wien angehören, hat die Aufgabe, an die über 25.000 jüdischen Bürgerinnen und Bürger zu erinnern, die in den Jahren 1941/42 aus ihren Städten nach Riga deportiert und in ihrer überwiegenden Zahl ermordet wurden. Das Deutsche Riga-Komitee fühlt sich in seiner Arbeit auch den mehr als 26.000 lettischen jüdischen Opfern des Rigaer Ghettos verbunden, die am "Rigaer Blutsonntag" (30.11.1941) und in den Tagen danach ermordet wurden, damit die aus dem Deutschen Reich deportierten Menschen dort eingepfercht werden konnten.
Zur Urkundenunterzeichnung war auch Winfried Nachtwei (MdB a.D.) angereist, der das Riga-Komitee im Jahr 2000 mit initiiert hatte. In einem ergreifenden Vortrag ließ er die Gräueltaten von einst noch einmal Revue passieren und formulierte es als eine der wichtigsten Aufgaben des Riga-Komitees, die Menschen hinter den vielen Namen und Geschichten dieser Zeit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Vor dem Hintergrund, dass durch das Fortschreiten der Zeit nur noch wenige Zeitzeugen die Vergangenheit aus eigenem Erleben schildern können, wünscht sich auch Bürgermeister Frank Hilker, "dass unter dem Dach des Riga-Komitees insbesondere für die Jugend- und Bildungsarbeit weitere Wege gefunden werden, um nachfolgenden Generationen in aller Klarheit und Emotionalität mit auf den Weg zu geben, was damals geschehen ist."
Dr. Bärbel Sunderbrink, Leiterin des Detmolder Stadtarchivs, führte die Gäste anhand der Lebensgeschichten zweier jüdischer Mädchen, die damals in Detmold lebten, in das Thema ein. Sowohl Edith Valk als auch Ilse Uhlmann waren mit ihren Familien nach Riga deportiert und schließlich im Jahr 1944 von den Nationalsozialisten umgebracht worden. Ihre Geschichten und die vieler anderer jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger werden im Rahmen der Ausstellung "Riga: Deportation - Tatorte - Erinnerungskultur" des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge nachgezeichnet.
Die Ausstellung ist noch bis zum 24. März im Detmolder Rathaus am Markt zu sehen.
Text und Foto: Stadt Detmold
Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.
Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.
Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.
Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.
In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.