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Die Grabstele für Meyer Levi auf der Kriegsgräberstätte Warmeriville (© Uwe Zucchi)
Volksbund erinnert an deutsche Soldaten jüdischen Glaubens
Grabstelen für Gefallene des Ersten Weltkrieges werden in Frankreich eingeweiht
In der französischen Region Grand Est weihte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. mehrere Grabstelen ein. Anstelle eines Kreuzes markieren sie die Gräber von Soldaten jüdischen Glaubens, die im Ersten Weltkrieg im Einsatz für Deutschland ihr Leben verloren. Familienangehörige und Vertreter der „Operation Benjamin“ waren aus Israel und den USA angereist.
Die Geschichte ist wenig bekannt, aber der Erinnerung wert. Mehr als 100.000 Soldaten jüdischen Glaubens kämpften im Ersten Weltkrieg in den Armeen des Deutschen Kaiserreichs, davon 77.000 an der Front, mehr als 12.000 bezahlten ihren Einsatz mit dem Leben.
Erinnerungskulturelle Verantwortung
„Sie waren unsere Kameraden. Wir haben sie verraten. An sie zu erinnern, ist das mindeste, was wir tun können“, so erklärt Volksbund-Generalsekretär Dirk Backen die Verantwortung des Volksbundes für die Gräber jüdischer Soldaten. Zu dieser erinnerungskulturellen Verantwortung gehört die „Operation Levi“: Mit der korrekten Grabkennzeichnung will sie jüdischen Soldaten ihren Namen und ihre religiöse Identität wiedergeben. Auf den Gräbern jüdischer Soldaten wird das Grabkreuz gegen eine Stele mit dem Davidstern ausgetauscht.
Am 20. Mai wurden die neuen Grabstelen des Soldaten Meyer Levi auf der Kriegsgräberstätte in Warmeriville und diejenige für Friedrich Simon „Fritz“ Rahmer in Souain eingeweiht, am folgenden Tag die neue Grabstele des Soldaten Siegmund Metzler auf der Kriegsgräberstätte in Bertrimoutier
Angereist aus Israel und den USA
30 Vertreter der „Operation Benjamin“ waren aus Israel und den USA angereist – unter ihnen auch 14 Angehörige von Meyer Levi, Fritz Rahmer und Siegmund Metzler, der in Bertrimoutier begraben ist. Auch der Militärbundesrabbiner, Zsolt Balla, und der amerikanische Historiker, Rabbi Dr. Jacob J. Schacter von der New Yorker Yeshiwa University, nahmen teil. An beiden Tagen gedachte der Volksbund auf fünf Kriegsgräberstätten rund um Reims und Metz aller Opfer des Ersten Weltkrieges.
Mehr lesen Sie hier: Siegmund Metzler ruht nun unter dem Davidstern.
Der Volksbund ist …
… ist ein gemeinnütziger Verein, der im Auftrag der Bundesregierung Kriegstote im Ausland sucht, birgt und würdig bestattet. Mehr als 10.000 waren es im vergangenen Jahr. Der Volksbund pflegt ihre Gräber in 45 Ländern und betreut Angehörige. Mit seinen Jugend- und Bildungsangeboten erreicht er jährlich rund 38.000 junge Menschen.
In Deutschland und Europa ist der Volksbund ein wichtiger Akteur der Erinnerungskultur. Für seine Arbeit ist er dringend auf Mitgliedsbeiträge und Spenden angewiesen.
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Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.
Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.
Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.
Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.
In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.