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Meldung

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Fünfzehn Jahre Deutsches Riga-Komitee

Zweites Symposium in Münster 17./18. April

Repräsentanten aus 26 Städten, die Mitglied im Deutschen Riga-Komitee sind, werden – fast 15 Jahre nach dessen Gründung - zum 2. Symposium des Deutschen Riga-Komitees am 17./18. April in Münster zusammenkommen.

Im Zuge der „Endlösung der Judenfrage“ ordneten die NS-Behörden ab 1941 Massendeportationen der jüdischen Bürger vornehmlich nach Osteuropa an, nachdem zuvor bereits 26.500 lettische Juden ermordet wurden, um im dortigen Ghetto Platz zu schaffen. Etwa 25 000 deutsche, österreichische und tschechische Juden aus dem damaligen Deutschen Reich wurden nach Riga deportiert. Nur etwa 1 000 überlebten. Die meisten wurden im Wald von Bikernieki durch die deutsche Sicherheitspolizei und lettische Hilfskräfte erschossen und in Massengräbern verscharrt.

Das 2. Symposium ist eine Veranstaltung des Deutschen Riga-Komitees, einem in der deutschen (und europäischen) Erinnerungskultur einzigartigen Zusammenschluss, der am 23. Mai 2000 auf Initiative des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge gegründet wurde. Gründungsstädte waren die dreizehn deutschen Großstädte, in denen damals die Transporte zusammengestellt wurden: Berlin, Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Hamburg, Hannover, Kassel, Köln, Leipzig, Münster, Nürnberg, Osnabrück und Stuttgart. Bis heute sind insgesamt 52 Städte dem Deutschen Riga-Komitee beitreten.

Aufgabe dieses Zusammenschlusses ist es, an das Schicksal der Deportierten in Riga zu erinnern. Dazu ist bereits 2001 vor Ort im Wald von Bikernieki eine würdige Gräber- und Gedenkstätte errichtet worden. Die vielfältigen Aktivitäten des Deutschen Riga-Komitees sollen diese Erinnerung an die im Wald von Bikernieki ermordeten Mitbürger aufrechterhalten. Seit 2002 wird die Anlage alljährlich von deutschen, lettischen und Jugendlichen weiterer Nationen im Rahmen der Workcamps des Volksbundes gepflegt. Dadurch wird ein lebendiges Band der Erinnerung und der Begegnung zwischen Riga und den deutschen Städten geknüpft, von denen damals die Sammeltransporte ausgingen.

Zu den Teilnehmer/innen des Symposiums zählen auch der ehemalige Bundestagsabgeordnete Winfried Nachtwei, der sich seit vielen Jahren der Erinnerung an die Massendeportationen verschrieben hat, Stephan Kramer, ehemaliger Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Anita Kugler, Historikerin und Journalistin, sowie der Künstler Dr. Horst Hoheisel, der sich seit Jahren mit Erinnerungszeichen an den Nationalsozialismus befasst.

Vorträge kommen u. a. von Prof. Dr. Ilva Skulte, Riga, Prof. Dr. Isabel Heinemann, Münster, per Skype von Dr. Margers Vestermanis, Historiker u. Zeitzeuge Riga.

Am Freitagabend  gibt es um 19.30 Uhr im Festsaal des Rathauses eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema „Riga – ein kontroverser Erinnerungsort in Europa“

Moderieren wird Dr. Heiner Wember, Historiker und Journalist Münster.

Die Bevölkerung ist hierzu herzlich eingeladen. Der Eintritt ist frei.

Über eine Berichterstattung würden wir uns freuen. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem beigefügten Programm sowie allgemein zum Thema unter www.riga-komitee.de

 

 

Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.

Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.

Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.

Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.

In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.