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Meldung

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Nachwuchskräfte der Bezirksregierung Düsseldorf besuchen Kriegsgräberstätte Ysselsteyn

Gelebte Erinnerungskultur in der Behörde betont humanitäre Verantwortung

Düsseldorf/Ysselsteyn. Zwölf Nachwuchskräfte aus der Bezirksregierung Düsseldorf haben die Kriegsgräberstätte im niederländischen Ysselsteyn besucht. Auf dem Grabfeld sind fast 32.000 Menschen beerdigt worden, Kriegstote des Ersten und vor allem des Zweiten Weltkriegs. Ziel der zweitägigen Exkursion war es, den Nachwuchskräften die historische Bedeutung und die humanitäre Verantwortung, die mit der Pflege und dem Gedenken an Kriegsverstorbene verbunden sind, näherzubringen. 

Neben einer Führung über die Kriegsgräberstätte informierten sie sich über die NS-Verwaltung ebenso wie über ausgewählte Einzelschicksale. Lodewijk van Mourik, ein Holocaustüberlebender, erzählte bewegend von seinem Schicksal und dem seiner Familie während des Krieges. 

„Der Besuch der Kriegsgräberstätte in Ysselsteyn war für uns alle ein emotionaler und kraftvoller Moment des Innehaltens. Besonders beeindruckt hat mich das respektvolle und nachdenkliche Verhalten unserer Nachwuchskräfte. Sie haben eindrucksvoll gezeigt, dass sie verstehen, was Erinnerungskultur und Verantwortung bedeuten. Mich persönlich hat die schiere Zahl der Gräber erneut tief bewegt“, sagt Regierungspräsident Thomas Schürmann, der an einem Tag vor Ort war. „Jedes Kreuz steht für die Mahnung, dass Frieden niemals selbstverständlich ist, sondern etwas, für das wir uns immer wieder einsetzen müssen. Für diese Erfahrung möchte ich dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge danken. Ohne dessen hervorragende Bildungs- und Friedensarbeit wäre der Besuch in dieser Form nicht möglich gewesen.“ 

Hintergrund
Die Kriegsgräberstätte Ysselsteyn in der niederländischen Provinz Limburg umfasst 28 Hektar und ist die flächenmäßig größte deutsche Kriegsgräberstätte weltweit. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt, um die sterblichen Überreste von deutschen Soldaten zu beerdigen, die in den Kämpfen in den Niederlanden und in anderen Teilen Europas gefallen waren. Neben Wehrmacht-Soldaten wurden dort ebenfalls SS-Angehörige, Kriegsverbrecher, niederländische Kollaborateure, Unterstützer der Wehrmacht aus anderen Nationen sowie Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder, bestattet. 

1982 startete das „Projekt Ysselsteyn“. Seither dient die Kriegsgräberstätte als Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte, die Schulklassen, Jugend- und Erwachsenengruppen mit Bildungsangeboten historisch-politischer und friedenspädagogischer Natur ansprechen wollen.  

 

Text und Foto: Bezirksregierung Düsseldorf

Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.

Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.

Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.

Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.

In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.