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Berlin - Ort der Täter
Vom schwierigen Umgang mit der eigenen Geschichte
Das Deutsche Riga-Komitee ist ein im Mai 2000 gegründetes erinnerungskulturelles Bündnis von 64 deutschen Städten. Dazu gehören auch die Städte Brünn/Brno, Prag/Praha, Riga, Theresienstadt/Terezin, Wien und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Bei einem Symposium am 24. und 25. September geht es um das Thema: "Berlin – Ort der Täter. Vom schwierigen Umgang mit der eigenen Geschichte".
Was geschah in Riga?
In die lettische Hauptstadt wurden zwischen 1941 und 1944 an die 26.000 Juden aus deutschen, österreichischen und tschechischen Städten deportiert, die allermeisten von ihnen wurden ermordet. Man schätzt, dass fast 12.000 in dem Wäldchen Bikernieki erschossen wurden. Zu ihrem Gedenken und im Gedenken an die anderen Opfer des Holocausts in Lettland hat das Deutsche Riga-Komitee 2001 die Gräber- und Gedenkstätte Riga-Bikernieki errichtet und deren Pflege übernommen.
Unterstützt wird das Projekt vom Zentralrat der Juden in Deutschland, der Stadtverwaltung Riga sowie von der Wiener „Initiative Riga“. Rechtliche Grundlage ist das deutsch-lettische Kriegsgräberabkommen von 1996, in dem sich die Bundesregierung verpflichtet hat, auch für die deutschen Opfer der Deportation in Lettland würdige Grabstätten zu schaffen.
Symposium mit Gedenkspaziergängen
Ausgerechnet zum 20-jährigen Bestehen des Komitees musste das 5. Symposium wegen der Corona-Pandemie komplett neu geplant werden. Nun findet es ohne internationale Beteiligung, mit stark reduzierter Teilnehmerzahl sowie unter entsprechenden Abstandsregeln und mit Hygieneauflagen am 24. und 25. September statt.
Dr. Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa, begrüßt um 14.30 die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Roten Rathaus. Den Impulsvortrag hält Prof. Dr. Wolfgang Benz. Sein Thema: Was kann Gedenken heute leisten? Der Gedenkspaziergang von 16 bis 17.30 Uhr führt vom Roten Rathaus zur Rosenstraße mit Besichtigung der Skulptur „Block der Frauen“ von Ingeborg Hunziger und einer Führung von Filmemacherin Marie Rolshoven, Mitbegründerin der Berliner Gedenk-Initiative „Denk Mal am Ort“.
Vom "Haus der Wannseekonferenz" zum Mahnmal „Gleis 17“
Die Abendveranstaltung eröffnet der Präsident des Volksbundes, Wolfgang Schneiderhan, mit einem Grußwort. Nach dem Vortrag von Prof. Dr. Dieter Pohl von der Alpen-Adria Universität in Klagenfurt diskutieren auf dem Podium Dr. Klaus Lederer und Michaela Küchler, Botschafterin Auswärtiges Amt und Vorsitzende der Internationalen Allianz zum Holocaust-Gedenken. Uwe Neumärker von der Stiftung Denkmal moderiert.
Die Diskussion wird im Livestream auf www.facebook.com/volksbund zu sehen sein.
Zum anschließenden Empfang lädt der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, ein.
Am nächsten Morgen besuchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz“. Am Mahnmal „Gleis 17“ gibt es anschließend eine Einführung von Dr. Susanne Kill, Konzerngeschichte/Historische Sammlung Deutsche Bahn AG Berlin. Abschließend diskutiert die Gruppe mit Dr. Andrea Riedle, Direktorin der Stiftung Topografie des Terrors, über den „schwierigen Umgang mit der eigenen Geschichte".
Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.
Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.
Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.
Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.
In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.