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Meldung

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„Brücken der Erinnerung“

Virtuelle Veranstaltung erinnert am 29. November an Beginn der Deportationen nach Riga vor 80 Jahren

Der Bahnhof Šķirotava nahe der lettischen Hauptstadt Riga war Schicksalsort für Zehntausende jüdischer Menschen, die aus dem Deutschen Reich Richtung Osten verschleppt wurden. Am 29. November 1941 traf der erste Deportationszug aus Berlin mit 1.053 Personen dort ein. Keiner der Deportierten sollte den Abend erleben, weder das zweijährige Kleinkind Heinz Loewenthal noch der 80-jährige Nathan Baer. 

Auf den Tag genau 80 Jahre später, am 29. November 2021, wurden um 17 Uhr vom Bahnhof Šķirotava aus in einer Live-Schaltung zahlreiche Mitgliedsstädte des Riga-Komitees virtuell über „Brücken der Erinnerung“ verbunden. Der deutsche Botschafter Christian Heldt, die österreichische Botschafterin Doris Danler, die tschechische Botschafterin Jana Hynková, Iļja Ļenski als Vertreter der jüdischen Gemeinde in Riga, der Bürgermeister der Stadt Riga, Mārtiņš Staķis, sowie Vertreterinnen und Vertreter einiger der Städte des Riga-Komitees sprachen dort.
 

Städtebündnis aus drei Ländern

Das Riga-Komitee ist ein Bündnis von mehr als 64 Städten aus ganz Deutschland, Österreich und Tschechien, die der Deportationen jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger nach Riga gedenken. Es wurde im Jahr 2000 gegründet. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist eines der Gründungsmitglieder.

Die Gedenkveranstaltung war für diesen Termin in Riga live geplant, doch sie konnte wegen der Corona-Pandemie nur online stattfinden. Die Deutsche Botschaft richtete in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde Riga und dem Riga-Komitee das digitale Gedenken aus.

Zum Abschluss wurden Kerzen entzündet, wurde der Opfer in einer gemeinsamen Schweigeminute gedacht.

Zu sehen ist die virtuelle Veranstaltung hier.
 

Der Volksbund ist ...

... ein gemeinnütziger, 102 Jahre alter Verein, der seine Arbeit vor allem aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Im Auftrag der Bundesregierung pflegt er 832 Kriegsgräberstätten in 46 Ländern. In Lettland kümmert er sich unter anderem um die Gräber- und Gedenkstätte Riga-Bikernieki, für die eine neue Ausstellung in Arbeit ist. In Deutschland ist im November 2021 eine Wanderausstellung an den Start gegangen, die in Berlin zum ersten Mal zu sehen war.

Außerdem gibt es neue Broschüren in der Mediathek:
Begleitbroschüre zur Wanderausstellung
Broschüre "Riga-Komitee"
"Riga - Gedenken und Mahnung" - Orte des Erinnerns.
 

Ein Land voller Massengräber und kaum jemand, der noch einen Kaddisch sagen kann: Auf den Spuren der Shoah in Lettland

Im September 2024 unternahmen Mitarbeitende der Gedenkstätten sowie Mitglieder des Gedenkstättenvereins und MultiplikatorInnen aus dem Osnabrücker Raum und Berlin vom 26. August bis 1. September 2024 eine Reise nach Litauen und Lettland zu Orten der Shoah im Baltikum. Die Reise erfolgte im Rahmen der Ausstellung "Der Tod ist ständig unter uns. Die Deportationen nach Riga und der Holocaust im deutsch besetzten Lettland", die vom 7. April bis 1. September 2024 in der Gedenkstätte Augustaschacht zu sehen war. Die Autorin war eingeladen worden, an dieser Reise teilzunehmen. Sie stellt uns ihren Bericht für diese Veröffentlichung kostenfrei zur Verfügung.

Am 13. Dezember 1941 wurden 35 Osnabrückerinnen und Osnabrücker gezwungen, in einen Zug zu steigen, der sie in mehrtägiger Fahrt nach Riga in Lettland brachte. Sie selber kannten das Ziel nicht. Ihren Besitz mussten sie zurücklassen. Fünfzig Kilo an Gepäck waren alles, was sie mitnehmen durften, und auch wurde ihnen bei der Ankunft weggenommen, als sie mit Eisenstangen aus dem Zug in die eisige Kälte von minus 30 bis 40 Grad geprügelt wurden. Kleine Kinder und alle, die den weiten Weg in das Ghetto nicht schafften, wurden gleich ermordet. „Keiner von uns hat geglaubt, dass so viel Sadismus möglich war“ – dieser Satz stammt von Ewald Aul, einem der fünf Osnabrücker Überlebenden dieser Deportation, später langjähriger Vorsitzender der Jüdischen Nachkriegsgemeinde in Osnabrück.

Diese Reise war nicht leicht, manche Eindrücke nur schwer zu verkraften Es war eine Reise auf den Spuren von Massenmorden, die auch emotional belastete, und dennoch eine Reise mit vielen wertvollen Begegnungen mit Menschen, die sich dafür engagieren, die Menschen, die diesen Morden zum Opfer fielen, der Vergessenheit zu entreißen, wo das noch möglich ist, und ihnen dadurch ihre Würde zurückzugeben. Unter diesen Ermordeten, für die niemand das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach, sind 30 Osnabrückerinnen und Osnabrücker. Drei davon, die Geschwister Edith, Carl und Ruth-Hanna Stern, waren noch kleine Kinder.

Am 31. Juli 1941 wurde der Leiter des Reichssicherheitshauptamts, Reinhard Heydrich, von Reichswirtschaftsminister Hermann Göring mit der Vorbereitung der Endlösung der Judenfrage beauftragt, der systematischen Ermordung aller europäischen Juden. Im Oktober 1941 ordnete Hitler die Deportation der jüdischen Bürgerinnen und Bürger aus dem Reichsgebiet an. Sie wurden in Transporten von je 1.000 Personen in die Ghettos Lodz in Polen, und Minsk in Belarus, Kaunas und Vilnius in Litauen und das lettische Riga gebracht.

In den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde der Holocaust über Jahrzehnte verdrängt und tabuisiert. Neue Verbrechen durch das stalinistische Regime überlagerten die Erinnerung an die deutsche Besatzung und die Verfolgung von jüdischen Menschen und anderen Bevölkerungsgruppen. Für die Sowjetunion gab es keine jüdischen Opfer und damit auch keinen Holocaust. Die Ermordeten waren alle Sowjetbürgerinnen und -bürger. Es ging um Heldengedenken, alle Toten galten gleichermaßen als „Opfer des Faschismus“. Die Erinnerung an die massive Beteiligung der einheimischen Bevölkerung an den Morden wird den Litauern und Letten auch heute kaum zugemutet.